2.3 Energie- und Klimapolitik in Österreich

Die mengenmäßigen und zeitlichen Ziele der österreichischen Energie- und Klimapolitik ergeben sich aus den Erkenntnissen der Klimawissenschaft. Diese Ziele wurden mittlerweile in internationalen Verträgen und in Beschlüssen auf europäischer und nationaler Ebene festgelegt. Dazu seien angeführt: 

  • Das Klimaabkommen von Paris,
  • Der Beschluss der EU, die Emissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu senken
  • Für Österreich, das Regierungsabkommen vom Jänner 2020 mit dem Ziel, bis 2040 ein fossilenergiefreies, klimaneutrales Österreich aufzubauen.

Das maßgebende Erfolgskriterium ist im Hinblick auf die Klimaziele die Reduktion der Emissionen jährlich um 4,5 Mio.t. Dieses Ziel erfordert den Umbau von dem fossil dominierten Energiesystem zu einem System auf Basis erneuerbarer Energien. Es braucht dazu

  • Maßnahmen zum Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle und
  • Maßnahmen zum raschen Ausbau der erneuerbaren Energieträger, also von Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft, Biomasse, Solarthermie und Umgebungswärme.

Als Beispiel wird hier

  1. Ein Szenario Energiewirtschaft Österreich 2035
  2. Und ein Vorschlag zum Ausstieg aus Erdgas angeführt.

1. Szenario Energieversorgung Österreich 2035

Dieser Umbau ist umfassend und einmalig in der Geschichte. Daher seien nochmals die wichtigsten Bausteine in Erinnerung gerufen:

Wärme:

  • Reduktion des Verbrauchs durch Effizienz und thermische Sanierung
  • Ausbau der Fernwärme – mehr als 400.000 neue Anschlüsse,
  • Ausbau der Wärmepumpen und der Biomasseheizungen, in Summe mehr als eine Million Einheiten
  • Aus für Öl- und weitgehend auch für Gasheizungen bis 2035,
  • Starker Ausbau der Solarthermie vor allem für größere Wärmeverbraucher

Verkehr:

  • Weniger Fahren mit Autos, mehr zu Fuß gehen, Fahrrad fahren und Öffis nutzen
  • Weitgehender Umstieg im Individualverkehr vom fossilen auf den E-Antrieb,
  • Ausbau des öffentlichen Verkehrs
  • Umbau der Infrastruktur: weniger Tankstellen, viele neue E-Ladestellen
  • Umbau im Bereich der LKW – Flotte auf Direktstrombezug aus dem Netz, kombiniert mit dem Einsatz von Batterien und neue Energieträger für die Landwirtschaft.

Strom:

  • Ausbau aller neuer Erzeugungsformen mit den Schwerpunkten Photovoltaik und Wind und Biomasse/Biogas im Winter
  • Ausbau der Netzstruktur und der regionalen Speichermöglichkeiten,

Um dies alles zu meistern, ist ein umfangreiches Ausbildungsprogramm notwendig. Man bedenke: Nach den Anlaufjahren sollten etwa ab 2025 in der Photovoltaik jährlich so viele neue Anlagen investiert werden wie insgesamt in den letzten 20 Jahren. Dieser Umbau würde natürlich auch die Struktur der Energieversorgung total verändern.

TWh20192035Veränderung
fossile Energie255,542,084 %
Summe erneuerbare Energie120,2209,5+ 74 %
Stromimport/Export3,1-1,0 
Summe Primärenergie378,9250,534 %
ab Eigenverbrauch, Verluste, Transformation62,635,744 %
energetischer Endverbrauch316,3214,832 %
Übersicht 33: Primärenergie TWh, 2019, 2035 – Qu.: eigene Berechnung

Der Primärenergieeinsatz wäre 2035 um 34 % geringer als 2019, der Endenergieverbrauch um 32 %, vor allem durch den Rückgang bei der Prozesswärme und im Verkehr. Um die Energiebereitstellung zu sichern, müssen die erneuerbaren Energieträger um 74 % ausgedehnt werden. Dieser Ausbau der erneuerbaren Energieträger um 89,3 Milliarden Kilowattstunden, stützt sich vor allem auf den Ausbau der Photovoltaik mit 38, der Windenergie mit 16 und der Biomasse mit knapp 18 Milliarden Kilowattstunden. Die weiteren 17 Milliarden Kilowattstunden kommen von der Wasserkraft, der Solarthermie und der Umgebungswärme.

2. Die Zukunft der Gaswirtschaft – reduzieren, diversifizieren

Der Internationale Klima -Rat (IPCC) veröffentlichte Ende Februar 2022 seinen Bericht „Climate Change 2022“, in dem auf die Wichtigkeit der raschen Transformation der Energiesysteme für das künftige Wohlergehen der Menschheit hingewiesen wird. Der russische Einfall in die Ukraine, am 26.2.2022, die erhöhte Alarmbereitschaft für Atomwaffen, machte bewusst, was die Abhängigkeit von fossilen Energien nicht nur klimapolitisch sondern auch wirtschaftlich bedeutet. Beide Probleme hängen eng miteinander zusammen.

Jetzt kommt es darauf an, zu überlegen, was in den kommenden Wochen und Monaten zu tun ist, um den Klimawandel zu verlangsamen und die Sicherheit der Energieversorgung zu vertretbaren Kosten zu erreichen. Das sei hier am Beispiel der Gaswirtschaft erläutert.

Aus Klimaschutzgründen muss der Verbrauch von Erdgas in Österreich bis 2030 zumindest halbiert werden. Aber wie soll das erreicht werden? Da hilft ein Blick auf die Einsatzgebiete von Erdgas. Im Schnitt der letzten Jahre war die Verwendung von Erdgas wie folgt: 10 % für die Fernwärmebereitstellung, 26 % für die Stromerzeugung vor allem im Winter, 26 % für Raumwärme, 35 % für die Prozesswärme in der Güterproduktion und der Rest für die Mobilität.

Am schnellsten kann Erdgas in der Fernwärmebereitstellung ersetzt werden durch Solarthermie, Wärmepumpen und Biomasse. Wenn die Verantwortungsträger in den 15 großen Städten Österreichs, die  für ihre Fernwärmenetze überwiegend Gas einsetzen, in den kommenden Wochen die Grundsatzentscheidung zum Umstieg auf erneuerbare, inländische Energiequellen treffen, so könnte dieser Umstieg in ein bis drei Jahren weitgehend umgesetzt werden. Der Erdgasbedarf ginge um 10 % zurück! Einige Städte wie Klagenfurt haben das in den letzten Jahren mit großem Erfolg demonstriert. Hier gibt es keine abrupten Erhöhungen der Wärmepreise!

Der zweite Bereich, der einen nicht gänzlichen aber doch weitgehenden Verzicht auf Erdgas ermöglicht, ist die Stromerzeugung. Da wir gerade im Winter Erdgas für die Stromerzeugung einsetzen, müssen jene erneuerbaren Quellen forciert werden, die im Winter mehr erneuerbaren Strom liefern können als im Sommer; das sind die Windenergie und die Biomasse. Im Jahre 2019 hatten wir in Österreich 3,2 GW Windkraft installiert, das ist bezogen auf die Bevölkerungszahl etwa die Hälfte der Installationszahlen von Deutschland. Daher sollte es ein Beschleunigungsprogramm Windausbau auf 10 GW geben; so könnten im Winterhalbjahr 10 TWh Strom zusätzlich aus Wind bereitgestellt werden.

Die Stromerzeugung aus Biomasse & Biogas von knapp 5 TWh im Jahre 2019 sollte um 2 TWh erhöht werden. Gleichzeitig sollte die Energiepolitik Anreize schaffen, dass der Großteil der biogenen Stromerzeugung im Winter erfolgt. Auf diese Weise kann die Biomasse als kostengünstiger Speicher genutzt werden und die Stromerzeugung im Winter um weitere drei TWh steigen. Durch die rasche Umsetzung dieser Vorschläge lässt sich die Verwendung von Erdgas zur Stromerzeugung drastisch reduzieren.

Der nächste große Bereich ist Erdgas in der Raumwärme. Hier ist die Umstellung im Gange aber es wird natürlich länger dauern, bis 900.000 Gaskessel ausgetauscht sind. Als Alternativen zum Erdgas in den Städten und in den ländlichen Gebieten kommen die Fernwärme aus erneuerbaren Energien, die Wärmepumpe und Biomasse -Heizungen wie Pellets- oder Hackgutkessel in Betracht.

Aus Klimaschutzgründen wäre es sehr zu begrüßen, wenn es durch diese Schwerpunktprogramme „Fernwärme ohne Erdgas“,  „Strom weitgehend ohne Erdgas“ und „Raumwärme ohne Erdgas“ gelingt, innerhalb von fünf bis zehn Jahren den Erdgasverbrauch um 60 % von aktuell 90 TWh (8 Mrd. Kubikmeter) auf etwa 35 TWh zu reduzieren.

Für die Aufbringung dieser Restmenge sollte dann das Prinzip diversifizieren gelten, denn aktuell wird ja 92 % des Erdgasverbrauchs durch Importe gedeckt, davon 80 % aus Russland. Da stellt sich zunächst die Frage nach der inländischen Erdgasaufbringung. Diese liegt in der Größe von 8 TWh, Tendenz rückläufig. Über das Potential erneuerbarer Gase aus dem Inland schwirren verschiedene Fantasiezahlen durch die Presse. Dabei ist zu bedenken:

Bestehende Biogasanlagen, die Strom und Wärme liefern, sind wichtige lokale Energiezentralen, die auch im Winter verlässlich Strom liefern. Sie sollten auf keinen Fall gezwungen werden, die Stromerzeugung einzustellen, um in das Gasnetz einzuspeisen. Dadurch würde nur die Winterstromlücke zunehmen.

Die großtechnische Vergasung von Holz, die auch fallweise ins Spiel gebracht wird, ist im Vergleich zur direkten thermischen Nutzung von Holz  ineffizient, erhöht die Kosten der Umstellung und ist daher nicht attraktiv. Verbleibt die Errichtung neuer Biogasanlagen auf der Basis organischer Abfälle in den urbanen Gebieten und auf Bauernhöfen mit großen Viehbeständen. Solche Anlagen sollten unbedingt forciert werden, allerdings wird aufgrund der geographischen Land nur ein Teil dieser neu errichteten Anlagen ins Gasnetz einspeisen können, die anderen sollten auch Strom ins Netz liefern und die Wärme lokal nutzen. Aufgrund dieser Einschätzung halte ich das Potential für erneuerbare Gase zur Einspeisung in das Gasnetz bis 2030 auf nicht höher als 3 – 6 TWh.

Manche bringen auch den grünen Wasserstoff ins Spiel. Doch grünen Wasserstoff als klimapolitische Alternative kann es erst geben, wenn es einen permanenten Überschuss an erneuerbaren Strom gibt. Das wird bis 2030 nicht der Fall sein. Die Forcierung von Wasserstoff in einem Land, in dem im Winter noch 50 % des Strombedarfs aus Atom- oder Gaskraftwerken kommt, führt zu einem Mehrbedarf an Erdgas und steht im Widerspruch zu den Klimazielen. Daher sollte auch die Wasserstoffstrategie 2030 der Europäischen Union nach der Zäsur von Ende Februar 2022 sofort annulliert werden, da sie nur zu zusätzlichem Bedarf an Erdgas führt. Da ist es sinnvoller, wenn auch in der Güterproduktion Erdgas durch Strom oder andere erneuerbaren Energieträger ersetzt wird und auf diese Weise der Erdgasverbrauch zurückgeht statt Strom in die ineffiziente Wasserstoffwirtschaft zu lenken.

So zeigt diese Analyse, dass Österreich auch bei großen Anstrengungen gegen 2030 noch über 20 TWh Erdgas (1,8 Mrd. m³) wird importieren müssen. Diese Importe werden wohl aus Europa und auch aus anderen Kontinenten kommen. Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Auswahl der Lieferländer sollte sein, ob die Länder die Deviseneinnahmen aus Energielieferungen für friedliche oder für kriegerische Zwecke verwenden wie etwa Saudi – Arabien für den Krieg gegen den Jemen oder Quatar für die Finanzierung der Hisbollah und diverser Terrorkampagnen. Dieser Aspekt spricht für Flüssiggasimporte aus Australien, Amerika und nicht unbedingt aus Ländern im Nahen Osten.

Zusammenfassend: ein abrupter Verzicht auf Erdgas ist ohne drastische Verwerfungen für die Wirtschaft und Gesellschaft ist nicht möglich. Doch ein jährlicher Rückgang im Einsatz von Erdgas um fünf bis zehn Prozent kann mit großen Anstrengungen erreicht werden. Ja, er ist unbedingt notwendig, um den Klimawandel zu bremsen, unabhängig davon wie sich die geopolitische Lage weiter entwickelt. Dieser Ausstieg aus Erdgas sollte in den kommenden Jahren auf die Bereiche Fernwärme, Strom und Raumwärme fokussiert werden und im Jahrzehnt bis 2040 auch die Güterproduktion erfassen. Daher gilt für die künftige Erdgaspolitik die Devise: reduzieren und diversifizieren, um dann später überhaupt auszusteigen. Nur so sind die Klimaziele erreichbar!